Sechster Auftritt.

[79] Harpagon. Anselme. Elise. Mariane. Cleanthe. Valere. Frosine. Der Kommissar. Jacques. La Fleche.


CLEANTHE. Macht Euch keine Sorge, Vater, und klagt niemand an. Ich bin Eurer Sache auf die Spur gekommen und kann Euch so viel sagen, daß, wenn Ihr Euch entschließen wollt, mich Marianen heiraten zu lassen, Euer Geld Euch wieder eingehändigt werden soll.

HARPAGON. Wo hast du's?

CLEANTHE. Kümmert Euch darum nicht. Es ist sicher aufgehoben, dafür stehe ich; und alles hängt nur von mir ab. Ihr habt jetzt die Wahl und müßt mir sagen, wozu Ihr Euch entschließt; ob Ihr mir Mariane lassen oder Euer Geld verlieren wollt.

HARPAGON. Ist nichts davon weggekommen?

CLEANTHE. Nicht das mindeste. Entscheidet nun, ob Ihr gesonnen seid, unsere Heirat zuzugeben, nachdem auch Marianens Mutter ihre Einwilligung ausgesprochen hat, sie zwischen uns beiden wählen zu lassen.

MARIANE zu Cleanthe. Ihr wißt aber nicht, daß diese Einwilligung allein nicht hinreicht, und daß der Himmel mir außer einem Bruder, den Ihr hier vor Euch seht, auch meinen Vater wiedergeschenkt hat, von dem Ihr mich erbitten müßt.

ANSELME. Der Himmel, meine Kinder, hat euch nicht wieder zu mir zurückgeführt, damit ich euren Wünschen entgegen sein sollte. Mein Herr Harpagon, Ihr werdet wohl einsehen, daß die Wahl eines jungen Mädchens eher auf den Sohn als auf den Vater fallen wird; macht also keine Umstände, laßt Euch nicht erst sagen, was nicht nötig ist zu hören, und willigt so wie ich in diese Doppelheirat.

HARPAGON. Erst muß ich meine Schatulle sehn; die soll den Ausspruch tun.[79]

CLEANTHE. Ihr werdet sie ganz und unversehrt wiederfinden.

HARPAGON. Ich habe aber meinen Kindern kein Geld mitzugeben.

ANSELME. Nun gut; ich habe genug für sie; das braucht Euch keine Sorge zu machen.

HARPAGON. Wollt Ihr Euch verpflichten, alle Kosten der beiden Heiraten zu tragen?

ANSELME. Die will ich übernehmen. Seid Ihr nun zufrieden?

HARPAGON. Ja; aber Ihr müßt mir auch ein neues Kleid zur Hochzeit machen lassen.

ANSELME. Das soll geschehen. Und nun laßt uns nur an die Freude denken, die dieser glückliche Tag uns bereitet.

DER KOMMISSAR. Halt, meine Herren, halt! – Noch einen Augenblick, wenn's gefällig ist. Wer wird mir denn meine Schreiberei bezahlen?

HARPAGON. Eure Schreibereien brauchen wir jetzt nicht mehr.

DER KOMMISSAR. Ja, ich will aber doch nicht umsonst geschrieben haben.

HARPAGON zeigt auf Jacques. Macht Euch mit dem da bezahlt, und laßt ihn hängen.

JACQUES. Ach, wie soll man's denn anfangen? Wenn ich die Wahrheit sage, bekomme ich Schläge, und wenn ich lüge, soll ich hängen!

ANSELME. Mein Herr Harpagon, Ihr müßt ihm seinen Betrug diesmal noch verzeihen.

HARPAGON. Ihr wollt also den Kommissar bezahlen?

ANSELME. Meinetwegen. Aber jetzt schnell zu eurer Mutter, damit sie teil an unserer Freude nehme.

HARPAGON. Und ich zu meiner lieben Schatulle!


Quelle:
Molière: Der Geizige. Leipzig [o. J.], S. 79-80.
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